Heute im Büro gab es einen genialen Vorfall.
Ich war mit einem Kollegen im Gespräch über Astrofotos und zeigte ihm ein paar Beispiele, als unser CIO, der nebenan stand mich ansprach.
Er habe von Verwandtschaft ein Teleskop herumstehen, mit dem er nichts anfangen könne und es nur Platz wegnimmt. Er bat mir an ein paar Fotos zu schicken und ich sollte mal schauen ob ich damit etwas anfangen kann.
Ehrlich gesagt hatte ich keine hohen Erwartungen, aber da ich eh noch nie ein eigenes Teleskop besaß würde mir auch ein kleines altes Einsteigergerät eine tolle Möglichkeit geben dazu zu lernen und zu experimentieren. Viele Geld wollte ich in keinem Fall investieren, weil mir schon klar war, dass man hier schnell in einen Strudel an Zubehör GAS (Gear Akquisition Syndrome) gerät und die ein oder andere Investition die Ausgaben dann in die Höhe treiben. Außerdem wäre es kaum möglich mit einer alten Montierung fotografisch tätig zu werden. Also würde man sich hier höchstwahrscheinlich auf reine Beobachtung ohne Fotografie beschränken.
Als dann schon wenige Stunden später ein Mail in meinem Arbeitspostfach eintrifft bin ich sehr positiv überrascht!
Ein wunderschönes altes Spiegelteleskop vom renommierten Hersteller Vixen. Das Ganze auch noch auf einem Holzstativ mit einer massiv wirkenden Montierung. Da ich ja auch noch keine große Ahnung in dem Umfeld vorweisen konnte, begann ich erstmal zu recherchieren.
Ein erster Blick in die Google Suche zeigte schnell, es handelt sich um ein Einsteigergerät aus den späten 80ern oder frühen 90ern. Ein Gerät vergleichbarer Brennweite wäre für etwa 150€ neu zu bekommen. Jedoch schien es sich nicht um ein normales Einsteigergerät zu handeln sondern um DAS Einsteigergerät. Ich las davon, dass die meisten vergleichbaren Teleskope heutiger Bauart eher als „Aussteigergeräte“ zu bezeichnen sind. Dies hauptsächlich wegen ihrer schlechten Verarbeitungsqualität und der wackeligen Montierung. Bei dem Vixen, mit seiner „New Polaris“ Montierung jedoch soll man als Einsteiger richtig Freude haben.
Bei den höchst Kritischen Astroprofis in diversen Foren ist so eine Aussage eine förmliche Liebeserklärung. Normalerweise findet man hier zu fast allem kritische Kommentare, die dem Einsteiger das Gefühl vermitteln, dass man ohne große Investments eigentlich garnicht erst anfangen sollte, weil es eh zum Scheitern verurteilt ist.
Eine weitere Recherche auf den einschlägigen Foren zeigten außerdem, dass die Montierung als Vorbild für diverse neue günstig Produzierte Montierungen Pate stand, welche noch heute produziert werden. Das Gute daran ist, dass es motorisierte Nachführungen zu kaufen gibt, die mit nur wenig Adaptionsarbeit an der alten New Polaris zum laufen zu bekommen sind. Hierfür bin ich auf einige Artikel von Bastelfreunden gestoßen die sehr verheißungsvoll klingen.
Hier wird ausgeführt wie man einen Motor für eine neu erhältliche, Low Budget EQ1 Montierung so anpasst, dass sie mit der New Polaris funktioniert. Das Gute daran ist, dass hierfür ausschließlich eine Anpassung der Motorgeschwindigkeit nötig ist. Die Mechanik, soll heißen, Motorbefestigung und Klemmvorrichtung für die Einstellung, sind 1 zu 1 passend. Also muss hier schonmal nichts angepasst werden. Lediglich die Übersetzung der Zahnräder scheint sich bei den Modellen zu unterscheiden. Die New Polaris ist mit 100 Zähnen ausgestattet, das EQ1 jedoch mit 144 Zähnen. Dadurch bewegt sich die Montierung um genau 44% zu langsam. Um das zu kompensieren muss man an der Steuerung anpassen. Die Schrittmotorgeschwindigkeit wird über einen ATMEL Chip gesteuert, Dieser wird wiederum mit einem Quarz getaktet. Der eingebaute Quartz taktet mit 3,58Mhz. Um auf die gewünschte Geschwindigkeit zu kommen müsste man also um 44% Übertakten. 3,58Mhz x 1,44 = 5,1552Mhz. Genau diese Frequenz bekommt man als Bauteil natürlich nicht, aber relativ nahe kommt man schon ran.
Folgendes Bauteil gibt es bei Reichelt für schlappe 0,25€ (+5,95€ Versandkosten :-D)
5,1200-HC49U-S Standardquarz, Grundton, 5,120000 MHz
Die Leute die einen Umbau dokumentiert haben scheinen das Ganze nicht für Astrophotografie sondern für die visuelle Beobachtung gemacht zu haben. Zumindest finde ich keine Details zur Präzision der Nachführung für Fotografische Zwecke. Beeindruckend fand ich jedoch folgende Aussage:
And the result: I had expected the mount to keep an object (Lunar crater) in the field for about 15 minutes at 215X, as opposed to 3 minutes un-modded, and 1 minute with no tracking. To my great surprise, the mount kept the Lunar crater in the FOV for much longer than I expected. I don’t really know how long it could keep tracking, because I stopped timing after 40 minutes.
https://www.andico.org/2010/06/telescope-mount-hacking.html
Nach dieser Aussage habe ich die Hoffnung eine brauchbare Präzision für das 114/900er Newton zu bekommen die mir zumindest kurze Aufnahmen von ein paar populären Deep Sky Objekten ermöglicht.
Essentiell für das Ganze ist natürlich eine möglichst präzise Einnordung, soll heißen, Ausrichtung auf die Drehachse der Erde. Dafür wäre ein Polsucher sehr von Vorteil. Nach meinen Recherchen wird die Montierung nicht standardmäßig mit einem Polsucher ausgeliefert. Als ich mir das Bild von dem Teleskop jedoch genauer ansah, fand ich folgendes.
Das sieht mir ganz nach einem Polsucher aus. Das wäre super, denn ein passendes Teil für die Montierung ist nicht leicht zu finden.
Es bleibt also spannend und ich werde von Umbau und Resultat berichten.